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Ohne Schweiß keine Arbeit?

"Dein Pferd hat nix gearbeitet,

wenn es nicht ordentlich geschwitzt hat!"

 

Was ist dran an dieser Aussage, die man so oder so ähnlich sehr oft in Reitställen zu hören bekommt? Ein Pferd, das nach dem Reiten nicht schwitzt, das hat wohl nichts geleistet. Und ein Reiter, der seine Pferde nicht schweißnass zurück an den Anbindeplatz bringt, der wird gern belächelt.

 

Gleich zu Anfang sei erwäht: wenn ich ein Pferd habe, das schnell schwitzt oder wenn abzusehen ist, dass das Pferd sehr stark schwitzen wird, dann habe ich als Reiter dafür zu sorgen, dass das Pferd so abgeritten oder nachbetreut wird, dass das berühmte Nachschwitzen bestmöglich vermieden wird. Der Schweiß nach der Arbeit in der Box entsteht nur, wenn der Körper nicht genügend nachbetreut wird, sprich, der Reiter hat oder nimmt sich nicht die Zeit, sein verschwitztes Pferd im Schritt trocken zu arbeiten oder zu führen. (Bitte nicht einfach am hingegebenen Zügel Runde um Runde dahin reiten! Die Rückemuskulatur wird kalt und wird von der Schwerkraft und dem Gewicht des Reiters in eine ungünstige, oft sogar schädliche Lage gebracht. Entweder, das Pferd wird im Schritt in positiver Grundspannung lösend abgearbeitet, oder der Reiter steigt ab und führt das Pferd trocken!) Die Anfälligkeit für Muskelkater ist hier auch deutlich erhöht im Gegensatz zu einem geregelten Abarbeiten im Schritt. Die Cool Down-Phase ist mindestens genauso wichtig, wie die Warm Up-Phase. Mir persönlich ist es ebenfalls sehr wichtig, die Sattellage nach dem Reiten gründlich abzubürsten. Nicht nur, um die Haut und die Rezeptoren zu erfrischen sondern auch, weil ich es respektlos finde, das Pferd mit stark verschwitzter Sattellage und verpicktem Fell zurückzulassen.

 

Pferde schwitzen verschieden. Wie beim Menschen gibt es Typen, die schwitzen eher leicht und Typen, die schwitzen selten oder erst nach weit erhöhter Anstrengung. Je nachdem, zu welchem Typ dein Pferd gehört, gilt es, gerade in der kalten Jahreszeit, vorzusorgen, dass eine penible Nachbetreuung verhindert, dass z.B. eine nasse Decke über Nacht am Pferd liegen bleibt. Verkühlungen, Verspannungen und Blockaden können das Resultat sein. Wenn keine Zeit zur Verfügung ist, oder kein Deckenservice im Stall angeboten wird, dann hat der Reiter dafür zu sorgen, dass das Pferd an diesem Tag nicht oder nur ganz leicht schwitzt und, dass das Pferd in trockenem Zustand in den Stall zurück kehrt.

 

Die Außenfaktoren (Temparatur, Luftfeuchtigkeit...) spielen natürlich eine große Rolle, aber auch charakterliche Merkmale des jeweiligen Pferdes. Ein gelassenes Pferd wird später und weniger schwitzen, als ein hektisches. Problematisch ist das sogenannte Stressschwitzen beim Pferd. Viele Reiter kennen keinen Unterschied in den Schwitzbildern. Schweiß ist nicht gleich Schweiß.

 

Es gibt zwei Arten von Schweiß:

- Schweiß durch korrekt durchgeführte Arbeit der Muskulatur

- Schweiß durch Stress/Angst (zurückzuführen auf psychischen Druck, Aufregung oder auch Schmerz)

 

Wo schwitzt ein Pferd übermäßig durch Stress?

Partielles, übermäßiges Schwitzen an der Unterseite des Halses deutet in den meisten Fällen auf Stress hin. Ebenfalls, wenn das Pferd nur am Hals und am Kopf stark und an anderen Körperteilen wenig oder gar nicht schwitzt. Eine sehr unregelmäßige Verteilung des Schweißes deutet immer auf ein Defizit oder hohe Stressfaktoren in der Arbeit hin.

 

Wann ist erhöhte Wärme oder Schweißbildung ein gutes Zeichen?

Pferde, die im Gleichgewicht sind (seelisch und körperlich) zeigen generell eine verminderte Schweißbildung. An den Flanken, an den Bauchmuskeln, den Hinterbeinen und je nach Arbeit auch an den Schultern ist eine zur Arbeitsleistung und den Außenfaktoren passende Schweißbildung gut und richtig. Das Schwitzbild kann an den Körperseiten ungleichmäßig sein und gibt so Aufschluss über die Arbeit der Muskelstränge, Schiefen und Kompensationen. Es lohnt sich in jedem Falle, die Schweißbildung seines Pferdes im Auge zu behalten. Übrigens freut sich auch der Therapeut, wenn er vom Pferdebesitzer detaillierte Schilderungen bezüglich des Schwitzverhaltens des Pferdes bekommt.

 

Abschließend sei noch erwähnt, dass das Pferd mit seinen Aufgaben wächst. Soll heißen, ein Pferd in Grundausbildung übermäßig zu arbeiten, sollte überdacht werden. Die Pferde, die ich in ihrer Grundausbildung begleite, schwitzen in der Regel nicht bzw. nur wenig und bei relativ hohen Temparaturen. Wichtiger ist mir, dass das Pferd in Ruhe und Gelassenheit lernt, mit seinem Körper und den Anforderungen umzugehen. Der Schweiß darf erst später fließen, wenn das Pferd geistig und körperlich bereit ist, ein erhöhtes Arbeitspensum leisten zu können.

 

 

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