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Auf mein Pferd kommt mir kein anderer Reiter! Oder: irren ist menschlich!

 

"Ich und mein Pferd, wir lernen gemeinsam!"

"Das kann ja nicht so schwierig sein, sein Pferd selbst auszubilden."

"Niemand reitet mein Pferd, das mache ich ganz alleine!"

"Ich möchte das mit meinem Pferd gemeinsam schaffen, da kommt mir keiner rauf!"

"Junger Reiter, altes Pferd und umgekehrt? Ach was, bei uns klappt das auch so!"

 

Kennst du sie auch, die Reiter, die sich wehement weigern, jemand anderen - selbst den Trainer - auf ihr Pferd zu lassen? Warum das manchmal regelrecht unfair dem Pferd gegenüber ist und warum reiten und Pferde ausbilden nicht das selbe ist, liest du hier!

 

Jeder Reiter, der sich intensiv viele Jahrzehnte mit Pferdeausbildung und der Reiterei ausseinandersetzt, blickt mit großem Kopfschütteln auf die Zeit zurück, in der man von sich glaubte, man könne sowieso alles allein. Die Zeit, in der man, von sich selbst schwer überzeugt, ein Jungpferd (oder noch schlimmer - ein schwieriges oder bereits versautes Pferd) gekauft hat, um dann vom Regen in die Traufe und wieder zurück zu rudern. Die Selbstüberschätzung kommt nur in Zeiten, in denen man wahrlich noch nix über ein Thema weiß. Blöd nur, dass hier ein anderes Lebewesen im Spiel ist und manchmal auch die eigene Gesundheit am Spiel steht. Traurig nur, dass oft das Pferd ausbaden muss, was man an Wissen und Gefühl noch vermissen lässt.

 

Ein Pferd zu reiten, wenn auch auf gewissem Niveau, hat noch nichts damit zu tun, ein Pferd auszubilden. Dieses Pferd dann noch auf ein hohes Niveau zu bringen ist nochmal ein anderes Paar Schuh´. Dass viele Reiter das wollen, ist löblich. Dem Pferd aber die Chance zu verwehren, es mit Freude oder zumindest mit viel weniger Frust unter jemandem zu lernen, zu fühlen, zu begreifen, der die Erfahrung und das dementsprechende Gefühl für ein Jungpferd oder für das zu Lernende mitbringt, ist fast schon unfair und zeugt nicht von Weitblick. Oder würden diese Reiter es auch ablehnen, auf einem sicheren Lehrmeister reiten zu lernen oder sich weiterbilden zu dürfen? Sich vom Pferd führen lassen, die Möglichkeit annehmen, sich mit Hilfe des (lektionssicheren) Pferdes auf ein neues Niveau in der eigenen Reiterei zu begeben? Wer würde es nicht mit Handkuss annehmen, sich auf ein Pferd setzen zu dürfen, dass einem die Welt dessen offenbart, was man so gerne auch mit seinem eigenen Pferd schaffen würde?

 

Eines ist auch Fakt: jeder kennt mindestens einen Pferdebesitzer, der sein Pferd irgendwo in Beritt hatte und es nicht gut oder sogar schauderhaft zurück bekommen hat. Das Vertrauen sozusagen auf das falsche Pferd gesetzt...

Das gibt es zuhauf, das will ich nicht abstreiten. Vertrauen ist wichtig! Die ganze Verantwortung für das Pferd in der Zeit des Berittes blind abzugeben, ist dämlich. Wer sagt denn (auch wenn das Pferd in besten Händen ist), dass ich dann ein Pferd zurück bekomme, dass ich fähig bin "zu bedienen". Denn nur weil es ein anderer Reiter kann, müssen meine Fähigkeiten noch lange nicht ausreichen. Und das Kriterium "leicht nachzureiten" sagt nichts über den Wert dieses Pferdes aus. Es kann ein schwierig zu reitendes Pferd unter dem richtigen Reiter zum Diamanten werden. Und aus mehrfacher Erfahrung: auch zu einem, der seinen Glanz dann an andere weitergibt und sie an seinem Können teilhaben lässt. Einfach weil er es liebt zu lehren. Deswegen: immer GEMEINSAM!

 

Der Mittelweg? Ein 3er-Team! Als guter Trainer ist man auch immer Dolmetscher zwischen Pferd und Reiter. Ein Dolmetscher ist jemand, der das, was das Pferd meint oder zum Ausdruck bringt, möglichst verständlich dem Mann/der Frau neben oder auf dem Pferd "verclickert" (manchmal im wahrsten Sinne des Wortes). Möglichst ohne viel Frust, vorallem für das Pferd, das ein Frusterlebnis nicht so rational abhakt wie wir es könn(t)en. Und der, so es nötig ist, dem Pferd ein Gefühl gibt, eine Sicherheit, eine Idee für seinen Körper und für die Möglichkeiten der Bewegung, die es vielleicht selbst noch nicht erahnt.

 

Ohne Plan, ohne wirkliche Ahnung, wie sich was anfühlen soll, welche kleinschrittigen Zwischenstationen vom Beginn bis "zur fertigen Lektion" notwendig oder hilfreich sind, rennt man von Irrweg zu Irrweg. Sicher, manchmal auch mit Lichtblicken. Doch es dauert ungleich länger, ist mit viel mehr Frust verbunden. Man rennt in Sackgassen, schiebt allem und jedem die Schuld zu und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Taumelt von Trainer zu Trainer, von Onlinekurs zu Onlinekurs. Man sucht sich überall was raus und findet doch keinen roten Faden.

 

Jedes Pferd ist einzigartig. Jemand, der täglich mehrer Pferde in Händen hält, kann auf eine Unsumme an Erfahrungswerten zurück greifen und sehr schnell eine Entscheidung revidieren, wenn sie nicht zum (Teil-)Ziel führt. Die eigenen Pferde eines Trainers (natürlich nur, wenn sie von null an eigenhändig ausgebildet wurden) sind eine große Referenz (Wie ist ihr körperlicher Zustand? Was strahlen sie aus? Welche Eindrücke vermittelt das Training beim Zuschauen?). Weiters die Paare die bereits über mehrere Jahre von diesem Trainer begleitet werden. Wenn mir hier gefällt, was ich sehe, möglichst in der Mehrzahl (also nicht nur ein Pferd), dann kann ich mich einlassen und schauen, wohin der Weg mich und mein Pferd führt.

 

Das Pferd vor Frust zu bewahren und möglichst ausschließlich positive Eindrücke aneinanderzureihen gehört zu meinen Aufgaben als Trainer und Dolmetscher. Den Reiter aus seiner eigenen Komfortzone zu holen gehört aber auch dazu. Mut entwickeln und zuMUTen können sind Dinge, die Pferd und Reiter betreffen. Jeden auf seine eigene Weise. Sich einlassen können und wollen ist in dieser schnelllebigen Zeit nicht mehr so einfach. Das Pferd als Meinungsträger ernst zu nehmen hilft allerdings immer. Wenn das psychische und physische Vorankommen stimmt, warum dann nicht einfach mehr Vertrauen schenken und sein Pferd zeitweise in die Hände des Trainers geben? Wenn es gut gemacht ist, profitieren immer alle drei davon.

 

Aus Erfahrung schöpfen und Horizonte erweitern bringen Pferd und Reiter weiter!

Ein ernstzunehmder Trainer hört ebenfalls niemals auf zu lernen! :-)

 

Hab Freude am Lernen,

alles Liebe und viel Gesundheit für das Jahr 2019,

 

Sandra Polzer

www.bodymindreflection.com

www.lehrmeister-pferd.at

 

 

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